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Emissionshandel

Doppelbelastung beim Emissionshandel: Freiwillige Lösungen sind realitätsfremd.

3. Sept. 2020

Der vom Bundesumweltministerium (BMU) vorgelegte Referentenentwurf zur „Verordnung über die Emissionsberichterstattung nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz für die Jahre 2021 und 2022“ (kurz: BeV 2022) soll Details zur Einführung des von der Bundesregierung beschlossenen nationalen Emissionshandels im nächsten Jahr regeln. Nach unseren Berechnungen wird die BeV 2022 diejenigen Unternehmen, die bereits vom Treibhausemissionshandelsgesetz erfasst sind, 2 Mrd. € Liquidität innerhalb von 18 Monaten kosten, wie die F.A.Z. exklusiv berichtete. Im Laufe der Folgejahre wird der negative Cash-Effekt bis Ende 2025 aufgrund des steigenden CO₂-Preises und der Ausweitung des nationalen Emissionshandels auf weitere Brennstoffe, wie z.B. Kohle, auf über 6 Mrd. € steigen. Noch hat das zuständige Bundesumweltministerium nicht auf die Berechnungen reagiert – die Zeit drängt allerdings.

Hintergrund der drohenden Liquiditätsbelastungen sind die vom BMU im Verordnungsentwurf vorgesehenen Regelungen, nach denen Unternehmen zunächst für den CO₂-Ausstoß der sowohl vom europäischen als auch vom nationalen Emissionshandel betroffenen Anlagen doppelt zahlen müssen und sich anschließend auf Antrag den zu viel gezahlten Betrag zurückholen können – wohlgemerkt rund anderthalb Jahre später, nach Einreichung des im Rahmen des europäischen Emissionshandels zu erstellenden Emissionsberichtes. Bereits im Januar droht den betroffenen Unternehmen nach der enplify-Analyse branchenübergreifend ein negativer Liquiditätseffekt aus der möglichen Doppelbelastung von rund 100 Mio. € – pro Monat. Besonders betroffen sind die Branchen Chemie, Stahl/Eisen sowie die mineralverarbeitende Industrie. Aber auch die Papier- sowie die Kalkindustrie und Raffinerien müssen mit Cash-Einbußen rechnen.

Hoffen auf vertragliche Vermeidung der Doppelbelastung ist realitätsfremd.

Die BeV 2022 sieht einen Mechanismus zur Vermeidung der Doppelbelastung vor, der sich auf den eigentlichen Inverkehrbringer – also den Lieferanten, nicht den Verbraucher – konzentriert. Der Inverkehrbringer soll damit befähigt werden, für die im Vorjahr erfolgten Brennstofflieferungen an TEHG-Anlagen keine Emissionszertifikate erwerben und übertragen zu müssen. Im Nachgang unserer Veröffentlichung machen Vorschläge die Runde, dass sich Inverkehrbringer, also zum Beispiel der Erdgaslieferant, und Anlagenbetreiber, also das Industrieunternehmen, einvernehmlich auf eine vertragliche Anpassung einigen könnten, um eine Doppelbelastung zu vermeiden. Unabhängig davon, dass dieser Vorschlag das zuständige Bundesumweltministerium (BMU) unverständlicherweise aus der Verantwortung entlässt, basiert er auch auf der irrigen Annahme, dass der Erdgaslieferant freiwillig und kostenfrei das Ausfallrisiko übernimmt. Das erscheint gerade im Kontext der Corona-Krise eher realitätsfremd. Der Erdgaslieferant wäre stets auf den TEHG-Anlagenbetreiber und dessen Emissionsberichtsunterlagen angewiesen. Können diese Nachweise nicht oder nicht ausreichend erbracht werden – z.B. durch eine zwischenzeitlich eingetretene Insolvenz des Anlagenbetreibers – sieht die BeV 2022 für einen solchen Fall keine Entlastungsalternativen des Inverkehrbringers vor.

Bereits heute werden stromkostenintensive Unternehmen, die über einen Begrenzungsbescheid zur Besonderen Ausgleichsregelung verfügen, von vielen (Strom-)Lieferanten als besonders riskant eingestuft. Hier befürchten nach unserer Kenntnis viele EVU Forderungen seitens der Bundesnetzagentur (BNetzA) bzw. Übertragungsnetzbetreiber für ausgebliebene EEG-Umlagezahlungen oder -nachzahlungen, da sie in ihrer Rolle als EVU mit dem belieferten Industrieunternehmen gesamtschuldnerisch haften. Obwohl der Ursprung hierbei ein anderer ist, sind sowohl die Konstellationen als auch die monetären Risiken vergleichbar. Die Politik darf sich also nicht wegducken und auf eine unwahrscheinliche freiwillige Lösung hoffen. Das BMU ist gefordert, die betroffenen Industrieunternehmen durch eine geeignete Regelung zu schützen. Noch hat das Ministerium nicht reagiert.

EU will Gratis-Zertifikate drastisch kürzen.

Einem noch nicht veröffentlichten Konzeptpapier zufolge sollen die Klimaauflagen für große Teile der Industrie in den nächsten Jahren deutlich verschärft werden. Hersteller von Eisen, Kokskohle, Papier oder Raffinerien sollen fast ein Viertel weniger Gratisrechte zum CO₂-Ausstoß erhalten, wie die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch berichtete. Entsprechend müssten sie diese Rechte über den Markt im Rahmen des EU-Emissionshandels zukaufen. Bislang erhalten die Betriebe diese Rechte nahezu vollständig gratis zugeteilt, wenn sie mit ihren Produkten im internationalen Wettbewerb stehen. Von insgesamt 52 solcher Produktgruppen will die EU demnach für 43 die Gratis-Rechte um 24 Prozent zwischen 2021 und 2025 kürzen. Die übrigen Gruppen umfassen vor allem Stahl und Aluminium, wo die Gratis-Rechte um etwa drei Prozent reduziert werden sollen. Deutschland als größtes Industrieland in der EU wäre davon am stärksten betroffen. Allerdings handelt es sich bei dem Papier um einen ersten Entwurf, die EU-Kommission will die endgültige Entscheidung bis Ende des Jahres treffen.

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